BGH, Urteil vom 20.3.2018 – X ZR 25/17
Sachverhalt:
Die Kläger begehren von der beklagten Deutsche Lufthansa AG die Erstattung des gezahlten Flugpreises nach erklärter Kündigung des Vertrags.
Die Kläger buchten im November 2014 für den 22./23. Mai 2015 Flüge von Hamburg nach Frankfurt am Main mit Anschlussflug nach Miami und von Los Angeles über Frankfurt am Main nach Hamburg zum Gesamtpreis von 2.766,32 €. Der Buchung lagen für die innerdeutschen Teilstrecken die Buchungsklasse Economy (Y) und für die interkontinentalen Teilstrecken die Klasse Premium Economy (N) zugrunde, für die die Bedingungen der Beklagten folgende Regelung vorsahen:
"Die Stornierung der Tickets ist nicht möglich. Die nicht verbrauchten Steuern und Gebühren sind erstattbar. Der internationale/nationale Zuschlag ist nicht erstattbar."
Die Kläger stornierten am 20. März 2015 die Flüge wegen einer Erkrankung und verlangten die Erstattung des Flugpreises. Die Beklagte erstattete ihnen ersparte Steuern und Gebühren in Höhe von jeweils 133,56 €. Mit der Klage begehren sie die Rückzahlung der verbleibenden Differenz in Höhe von jeweils 1.249,60 € und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Entscheidung:
Der BGH hat entschieden, dass es sich bei dem (Luft-)Personenbeförderungsvertrag um einen Werkvertrag nach § 631 BGB handelt. Der Fluggast kann daher nach § 648 BGB den Beförderungsvertrag grundsätzlich jederzeit kündigen. § 648 BGB kann jedoch auch in AGB (Beförderungsbedingungen) wirksam abbedungen worden.
Der Ausschluss des Kündigungsrechts (der "Stornierung") benachteiligt die Fluggäste nach Auffassung des BGH nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, so dass der Ausschluss des Stornierungsrechts nicht an § 307 BGB scheitert.
Der Ausschluss sei insbesondere nicht mit wesentlichen Grundgedanken des Werkvertragsrechts unvereinbar (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Das Kündigungsrecht nach § 649 BGB sei für das gesetzliche Leitbild eines Vertrages über die Beförderung mit einem Massenverkehrsmittel nicht maßgeblich. Die Kündigung des Werkvertrags durch den Besteller hat zur Folge, dass die Leistungspflicht des Werkunternehmers entfällt. Er soll jedoch nicht schlechter stehen, als er bei Vertragserfüllung stünde und behält somit seinen Vergütungsanspruch, muss sich jedoch ersparte Aufwendungen und die Vergütung für eine anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft anrechnen lassen. Über bestimmte Gebühren hinausgehende ersparte Aufwendungen ergäben sich bei einem Luftbeförderungsvertrag jedoch allenfalls in geringfügigem Umfang, da die Aufwendungen des Luftverkehrsunternehmens im Wesentlichen Fixkosten seien, die für die Durchführung des Fluges insgesamt anfallen und sich praktisch nicht verringern, wenn ein einzelner Fluggast an dem Flug nicht teilnimmt.
Eine "anderweitige Verwendung der Arbeitskraft" des Luftverkehrsunternehmens komme nur in Betracht, wenn der Flug bei seiner Durchführung ausgebucht ist und daher ohne die Kündigung ein zahlender Fluggast hätte zurückgewiesen werden müssen. Die Ermittlung, ob sich hieraus im Einzelfall ein auf den Beförderungspreis anrechenbarer anderweitiger Erwerb ergibt, wäre jedoch typischerweise aufwendig und insbesondere dann mit Schwierigkeiten verbunden, wenn die Anzahl von Fluggästen, die gekündigt haben, größer wäre als die Anzahl der Fluggäste, die ohne die Kündigungen nicht hätten befördert werden können. Aus der Sicht des einzelnen Fluggastes, der von einem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte, hinge es zudem vom Zufall ab, ob ihm ein Erstattungsanspruch zustände oder er trotz Kündigung (nahezu) den vollständigen Flugpreis zu zahlen hätte. Will er nicht den höheren Preis zahlen, zu dem typischerweise eine flexible Buchung erhältlich ist, mit der er in jedem Fall eine Erstattung des Flugpreises erreichen kann, kann er für den Krankheitsfall, wie er im Streitfall vorlag, eine solche Erstattung durch eine Versicherung absichern.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände stellen der Ausschluss des Kündigungsrechts und die damit verbundene vereinfachte Vertragsabwicklung bei der Beförderung mit einem Massenverkehrsmittel keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes im Sinne des § 307 BGB dar.
Merke:
Der Ausschluss des Kündigungsrechts durch eine Airline stellt keine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes im Sinne des § 307 BGB dar.