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Werkvertragsrecht: Rechtsprechungsänderung – Kein Ersatz lediglich fiktiver Mängelbeseitigungskosten

BGH, Urteil vom 22.2.2018 – VII ZR 46/17

Sachverhalt: 

 

Die Klägerin hatte zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann im Jahr 2003 ein viergeschössiges Einfamilienhaus errichten lassen. Teil dieser Arbeiten war auch die Ausführung von Naturstein-, Fliesen-, und Abdichtungsarbeiten durch den beklagten Werkunternehmer A. Die Planung der Freianlagen und die Bauleitung hatte die Klägerin der Beklagten B übertragen. Im Jahr 2007 zeigten sich gravierende Mängel der Natursteinarbeiten und der Putzarbeiten. Insbesondere kam es zu Rissen und Ablösungen der Platten, zu Kalk- und Salzausspülungen, Farb- und Putzabplatzungen sowie zu starken Durchfeuchtungen des Putzes. Während des Berufungsverfahrens veräußerte die Klägerin im Jahr 2015 das Haus. Mit ihrer umgestellten Klage verfolgt die Klägerin die Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten gemäß §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB.

 

Entscheidung: 

 

Bisherige Rechtsprechung:

Der BGH legt in seiner Entscheidung dar, dass es nach bisheriger Rechtsprechung für denjenigen, der den Mangel nicht beseitigen lässt und das mangelhafte Werk behält, zwei Möglichkeiten gab, seinen Vermögensschaden zu bemessen.

 

1. Möglichkeit: Der Besteller konnte die Differenz zwischen dem hypothetischen, mangelfreien Zustand und dem mangelhaften Werk ermitteln und diese Wertdifferenz schadensrechtlich geltend machen.

 

Hat der Besteller – wie im vorliegenden Rechtsstreits – die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. Der Mindererlös ist typischerweise die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem gezahlten Kaufpreis. Da der Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache indiziert, entspricht der so ermittelte Mindererlös im Regelfall dem Minderwert der betroffenen Sache. Haben neben dem vom Unternehmer zu verantwortenden Mangel auch andere Mängel zu dem Mindererlös geführt, ist zu ermitteln, welcher Anteil des Mindererlöses auf den vom Unternehmer zu verantwortenden Mangel entfällt. Dem Besteller bleibt bei Veräußerung der Sache die Möglichkeit, den Schaden nach einem den konkreten Mindererlös übersteigenden Minderwert zu bemessen, wenn er nachweist, dass der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache übersteigt. Denn der in Höhe des Minderwerts bestehende Schaden wird durch ein vom Besteller abgeschlossenes günstiges Geschäft grundsätzlich nicht gemindert. Nach den normativen von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertungen unter Berücksichtigung des in § 254 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Gedankens sollen dem Ersatzpflichtigen solche Vorteile grundsätzlich nicht zugutekommen, die sich der Ersatzberechtigte durch Abschluss eines – den Ersatzpflichtigen nicht berührenden Vertrags mit einem Dritten erarbeitet hat. Wendet demgegenüber der Unternehmer ein, der Minderwert sei geringer, weil der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache unterschreite, ist der infolge der Veräußerung entstandene (höhere) Mindererlös insoweit nicht als Schaden zu ersetzen, als dem Besteller ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung gemäß § 254  Abs. 2 BGB vorzuwerfen ist.

 

2. Möglichkeit: Der Besteller konnte einen Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mangelbeseitigungskosten verlangen. Dabei handelte es sich nicht um einen Ausgleich der Wertdifferenz wie bei der ersten Möglichkeit, sondern der Besteller konnte bis zur Höhe der Unverhältnismäßigkeit (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB) Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten verlangen, auch wenn der Betrag den Minderwert des Vermögens des Bestellers überstieg. Denn bereits der Mangel des Werks selbst sei – unabhängig von dessen Beseitigung – der Schaden, und zwar in Höhe der Beseitigungskosten.

 

Rechtsprechungsänderung:

Die zweite Möglichkeit lehnt der BGH nunmehr aus drei Gründen ab: 

 

1. Erst wenn der Besteller den Mangel beseitigen lasse, liege tatsächlich ein bezifferbarer Vermögensschaden vor. Vorher lasse sich zwar durchaus schon wegen der mangelhaften Leistung von einer Störung des Äquivalenzverhältnisses sprechen, die als Vermögensschaden angesehen werden könne. Allerdings lasse sich daran noch keine Beurteilung der Höhe des Schadens knüpfen. Eine fiktive Berechnung führe in vielen Fällen vielmehr zu einer Überkompensation des Bestellers, da der fiktive Aufwand einer Mängelbeseitigung von verschiedenen Umständen abhänge und die vorher zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung bei Weitem übersteigen könne. Dies widerspreche dem Grundsatz des Bereicherungsverbots im Schadensrecht.

 

2. Eine Abrechnung fiktiver Mängelbeseitigungskosten sei nicht erforderlich, um dem Besteller die Möglichkeit zu erhalten, den Mangel auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen oder zu beseitigen lassen. Denn dem Besteller stehe neben dem Anspruch aus §§ 634 Nr. 2, 637 BGB der Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB zu. Die Mängelbeseitigungskosten entsprächen einem Schaden i.S. der zweitgenannten Paragraphen. Lässt der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, sind die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte, nach §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB  zu erstatten. Dem stehe die Freiwilligkeit des Kostenaufwands nicht entgegen, da der Besteller sich aufgrund der vom Unternehmer verweigerten Nacherfüllung dazu herausgefordert fühlen durfte.

 

3. Außerdem habe der Besteller auch nach Geltendmachung des kleinen Schadenersatzes gemäß §§ 634 Nr. 4, 280, 281 das Recht, einen Vorschuss gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 BGB zu verlangen. Der Wortlaut des § 281 Abs. 4 BGB schließe zwar die Nacherfüllung nicht aber die Geltendmachung eines Vorschusses aus. Wenn vertreten werde, der Anspruch auf einen Vorschuss nach §§ 634, Nr. 2, 637 BGB setze einen zum Zeitpunkt der Geltendmachung noch bestehenden Nacherfüllungsanspruch voraus, so sei dem nicht zu folgen. Dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspreche es vielmehr, dem Besteller trotz bereits geltend gemachten kleinen Schadenersatzes weiterhin einen Vorschuss zu erhalten, um das durch Vorfinanzierung auferlegte Risiko des Bestellers auszugleichen.

 

 

Zusammenfassung:

Die Geltendmachung fiktiver Mangelbeseitigungskosten durch den Besteller widerspricht nach nunmehriger Auffassung des BGH im Werkvertragsrecht dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot. Der Besteller kann aber neben dem kleinen Schadensersatz weiterhin einen Vorschuss gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 verlangen.

 


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