· 

Auch Scheinehen können teuer werden

BGH, Beschl. v. 19.02.2020 – Az. XII ZB 358/19

 

Sachverhalt:  

Eine Frau verlangt von ihrem Mann Trennungsunterhalt. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Beklagten war von den Eltern im Jahr 2017 arrangiert worden. Die Frau lebte zum Zeitpunkt der Heirat bei ihren Eltern in Deutschland und arbeitete bei einer Bank, der Mann lebte in Paris und arbeitete dort als Wertpapierhändler. Auch nach der Eheschließung lebten die beiden weiter getrennt in Frankfurt und Paris. Ursprünglich hatten die Eheleute ein gemeinsames Leben in Paris geplant. Dazu kam es aber nicht, weil die Eheleute spätestens seit August 2018 getrennt waren. Während des Ehejahres verbrachte das Paar gelegentlich die Wochenenden zusammen. Eine sexuelle Beziehung wurde aber nicht aufgenommen, auch nicht nach einem dreiwöchigen Aufenthalt der Frau in der Pariser Wohnung ihres Mannes. Auch über gemeinsame Konten verfügte das Paar nicht, ihre Einkünfte verbrauchten sie jeweils für sich selbst. Während sich die Frau in Paris aufhielt, bezahlte der Mann aber immerhin ihre Einkäufe.   

 

Prozessgeschichte:

Nach der Zerrüttung im Jahr 2018 verlangte die Frau die Zahlung von Trennungsunterhalt. Während das Amtsgericht ihren Antrag noch zurückwies, hatte die Frau vor dem OLG Frankfurt a.M. aber Erfolg. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt hänge nach Auffassung des OLG nicht davon ab, ob die Beteiligten vor der Trennung zusammengelebt haben. Auch eine "Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen" sei nicht Voraussetzung eines Trennungsunterhalts. Eine nur formell bestehende Ehe mit modifizierten oder verminderten als den gesetzlichen Rechten gebe es nicht. 

 

Entscheidung:

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Frankfurt zurück. Dass die Ehegatten von Anfang an getrennt gelebt und kein gemeinsames Konto geführt haben, stehe dem Trennungsunterhaltsanspruch der Frau nicht entgegen. Der Anspruch ist nach Auffassung des BGH auch nicht gemäß den §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 8 BGB verwirkt. Da ursprünglich geplant war, gemeinsam in Paris zu leben, liege schon kein anfängliches Einvernehmen vor, eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht zu begründen.

 

Anmerkung:

Da es sich um einen Sachverhalt mit Auslandbezug handelt, war zunächst das zur Anwendung berufe Recht zu bestimmen. Dies ist das deutsche Unterhaltsrecht (Art. 15 EuUntVO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 HUP). 

 

Anspruchsvoraussetzungen für den Trennungsunterhalt nach § 1361 BGB sind:

- eine bestehende Ehe

- Getrenntleben der Eheleute,

- Bedarf des Unterhaltsberechtigten,

- Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten,

- Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen,

- kein Verlust des Anspruchs z.B. durch einen Ausschlusstatbestand

 

Es genügt der formale Bestand einer Ehe. Nicht entscheidend für die Anwendung von § 1361 BGB ist, ob die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft jemals aufgenommen haben oder ob dies geplant war. Ebenso unerheblich ist, ob die Eheleute während ihres Zusammenlebens eine wirtschaftliche Einheit gebildet oder aus getrennten Kassen gelebt haben (BGH, FamRZ 1980, 876; BGH, FamRZ 1989, 838; BGH, FamRZ 1985, 376). Daher fallen auch die sogenannten ,,Scheinehen“ oder ,,Aufenthaltsehen“ unter § 1361 BGB (OLG München, FamRZ 1994, 1108). In diesen Fällen war immer an die Verwirkung gem. §§ 1579 Nr. 8, 1361 Abs. 3 BGB zu denken (BGH, FamRZ 1994, 558).

 

Leben die Ehegatten getrennt, so kann nach § 1361 BGB ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Der Begriff des angemessenen Unterhalts umfasst auch die Kontrolle des Unterhaltsanspruchs am Maßstab der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf des Ehegatten. Zum Unterhalt gehören insbesondere Aufwendungen für den Lebensbedarf (etwa Wohnung, Verpflegung und Kleidung, etc.) 

 

Vor diesem rechtlichen Hintergrund überrascht das Ergebnis der Entscheidung, obwohl dem BGH darin zuzustimmen ist, dass das fehlende Zusammenziehen ebenso wenig den Anspruch auf Trennungsunterhalt ausschließen kann wie das Fehlen einer sexuellen Beziehung zwischen den Eheleuten. Eine nur formell bestehende Ehe mit modifizierten bzw. verminderten Rechten sollte es in der Tat nicht geben. 

 

Allerdings könnte es sich im vorliegenden Fall anbieten die Lebensverhältnisse der Beteiligten als "Ausschlusskriterium" für einen Trennungsunterhalt heranzuziehen.  Denn es  gilt immer auch zu überprüfen, ob und inwieweit sich die Lebensverhältnisse auf den ehelichen Lebensstandard ausgewirkt haben. Nur sofern die Ehefrau mit ihren eigenen Einkünften den ehelichen Lebensstandard (aus dem sich ihr Bedarf ableitet) nicht mehr halten kann, ist sie bedürftig. Hat sie hingegen wie im hiesigen Sachverhalt die ganze Zeit über nur von ihren eigenen Einkünften gelebt, dürfte dies ihren ehelichen Lebensstandard ausgemacht haben.  Indem sie über die gleichen Einkünfte bei der Trennung verfügt, dürfte ihr Bedarf vollständig gedeckt sein. Für § 1579 BGB wäre dann überhaupt kein Raum mehr. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0