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Neues zur Luxusaufwendung

LG Hannover, Urt. v. 27.07.2020, Az. 4 O 248/19

 

Sachverhalt:  

Am 18.07.2019 hatte die Auszahlungsabteilung der klagenden Bank einen Betrag von 170.786,20 Euro auf das Konto des Beklagten überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lebensgefährtin des Beklagten bei der Bank angestellt und in der Auszahlungsabteilung tätig. Die Klägerin behauptet, die Lebensgefährtin habe die Überweisung veranlasst: Interne Ermittlungen und eine Auswertung der elektronischen Überweisungsdaten hätten ergeben, dass sie sich unter dem Benutzerkonto einer anderen Mitarbeiterin eingeloggt und den Beklagten als Empfänger eingesetzt habe; der Betrag sei eigentlich als Baufinanzierungsdarlehen für einen anderen Bankkunden vorgesehen gewesen. Der Beklagte hatte zunächst eingewandt, dass er die Überweisung zwar erhalten, das Geld größtenteils aber für "Luxusaufwendungen" ausgegeben habe und daher nach § 818 Abs. 3 BGB entsichert sei: Allein vom 24.07.2019 bis 27.07.2019 habe er etwa 92.000 Euro "verprasst". Neben Hotel- und Mietwagenkosten von rund 3.600 Euro habe er 15.000 Euro im Casino verspielt und 18.500 Euro bei einem Bordellbesuch ausgegeben. In Hamburg seien ihm zudem 50.000 Euro in bar gestohlen worden. Vor diesem Hintergrund sei er rechtlich "entreichert", zumal die Bank ihn erst einen Monat nach der Überweisung zur Rückzahlung aufgefordert habe.

  

Entscheidung:

Nach Auffassung des Landgerichts  Hannover hat der Beklagte von Anfang an mit der Rückzahlung rechnen müssen und könne deshalb nicht entreichert sein. Der Beklagte hat die Klageforderung daraufhin anerkannt und ist mit entsprechendem Anerkenntnisurteil zur Rückzahlung des vollständigen Betrages verurteilt worden.

 

Einordnung: 

Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung sind die §§ 818 Abs. 4, 819 BGB. Die nach § 819 Abs. 1 zur Haftungsverschärfung führende Kenntnis des Empfängers bezieht sich auf den „Mangel des rechtlichen Grundes“. Schwierigkeiten bereitet das Kenntnismerkmals weil die kognitive Kategorie der „Kenntnis“ mit dem normativen Begriff des mangelnden „Rechtsgrundes“ verknüpft wird. Was unter „Kenntnis“ vom fehlenden Rechtsgrund zu verstehen ist, folgt aus der ratio legis des § 819 Abs. 1 BGB: Der Empfänger haftet verschärft, weil er weiß, dass er das Erlangte zurückgeben muss. Er hat also kein schutzwürdige Vertrauen. Daraus ergeben sich zwei Dinge: Erstens kann es nicht ausreichen, dass der Empfänger lediglich die Tatsachen kennt, auf denen das Fehlen des Rechtsgrundes beruht. Denn aus dieser Kenntnis wird er nicht immer auf den fehlenden Rechtsgrund schließen. Die „Kenntnis“ des Empfängers muss vielmehr die normative Bewertung umschließen, dass er das Erlangte nicht behalten darf. Die Anforderungen an die „Kenntnis“ dürfen andererseits nicht so hoch angesetzt werden, dass überhaupt nur noch Rechtskundige bösgläubig sein können. Vielmehr reicht es aus, wenn sich aufgrund der dem Empfänger bekannten Tatsachen das Fehlen des Rechtsgrundes so stark aufdrängt, dass es einem redlich denkenden Empfänger nicht verborgen bleiben konnte. Im Anschluss an seine Rspr. zu § 990 formulierte der BGH daher zu Recht, dass Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrundes bereits derjenige habe, der sich der Einsicht, das Erlangte nicht behalten zu dürfen, bewusst verschließe (BGHZ 32, 76, 92 ff.). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass selbst dem rechtlich nicht versierten Empfänger ein Minimum an wertender Reflexion zugemutet werden muss, ob ihm das Erlangte rechtlich zusteht. So spreche etwa bei einer nicht nur geringfügigen Überzahlung von Lohn und Gehalt der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Arbeitnehmer den Mangel des Rechtsgrundes kannte, und zwar in Bezug auf die gesamte Überzahlung (Misera/Schwab, SAE 1994, 327, 333). 

 

Das LG Hannover ging entsprechend dieser Grundsätze davon aus, dass der Beklagte im vorliegenden Fall in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes das Geld verprasst habe. Eine Berufung auf  den Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 BGB war dem Beklagten daher nicht möglich. 

 

 

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