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Geld zurück bei Rücktritt gilt auch im Reiserecht

AG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.10.2020, Az.: 32 C 2620/20 (18)

Sachverhalt:  

 

Der Kläger buchte bei dem beklagten, in Frankfurt a.M. ansässigen Reiseunternehmen einen Pauschalurlaub nach Spanien. Wegen der Corona-Pandemie stornierte die Veranstalterin die Reise aber noch vor deren Beginn. Die Beklagte erstattete dem Kläger den gezahlten Reisepreis in Höhe von 2.381,35 Euro jedoch nicht zurück, sondern gewährte ihm lediglich Reisegutscheine in entsprechender Höhe. Eine Rückzahlung des Reisepreises erfolgte auch nicht nach vorgerichtlicher Einschaltung und Fristsetzung durch einen Anwalt. Der Kläger hat deswegen Klage mit der Begründung erhoben, dass er einen Anspruch auf Rückerstattung seines Geldes und nicht bloß auf den Erhalt von Gutscheinen habe. Die Beklagte anerkannte die Klage in Höhe von 2.381,35 Euro. Sie ist jedoch der Auffassung, dass es weder Verzugszinsen noch vorgerichtliche Anwaltskosten als Schaden des Klägers erstatten müsse. Die Beklagte sei mit der Rückzahlung des Reisepreises nicht in Verzug gewesen. Insbesondere sei ihr die Rückzahlung wegen unvorhersehbarer Liquiditätsschwierigkeiten und nicht zu bewältigendem Organisationsbedarf nicht möglich gewesen.

 

Entscheidung: 

Das Amtsgericht Frankfurt hat der Klage stattgegeben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 334,75 Euro zzgl. Zinsen aus 2.381,35 Euro gemäß den §§ 651a, 651h Abs. 5, 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 2, 288 Abs. 2 BGB.

 

Zwischen den Parteien ist ein Reisevertrag nach § 651a BGB zustande gekommen, da sich die Beklagte zur Erbringung von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck einer Reise verpflichtet hat. Inhalt der angebotenen Reise waren unter anderem die Flüge nach Spanien und zurück (vgl. § 651a Abs. 3 Nr. 1 BGB) sowie die Unterbringung im Club der Beklagten (vgl. § 651a Abs. 3 Nr. 2 BGB).

 

In der Mitteilung, dass die Reise wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden könne (was unstreitig geblieben ist), liegt ein zumindest konkludent erklärter, wirksamer Rücktritt der Beklagten vom Reisevertrag nach § 651h Abs. 4 Nr. 2 BGB. In Zuge dessen verliert die Beklagte nach § 651h Abs. 4 Satz 2 BGB ihren Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Die in § 651h Abs. 5 BGB normierte Höchstfrist von 14 Tagen zur Rückzahlung des Reisepreises seit Rücktritt gilt hierbei auch für den Fall des Rücktritts durch den Veranstalter selbst. Einen pauschalreiserechtlichen Anspruch auf fristgemäße Rückzahlung sieht ebenfalls Art. 12 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 RL (EU) 2015/2302 vor, weshalb es insgesamt keines Rückgriffs auf die nationalen Institute der §§ 246 ff., 812 ff. BGB bedarf. Überschreitet der Veranstalter den normierten Zeitraum von zwei Wochen, so befindet er sich nach Maßgabe des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Verzug. 

 

Die Frist wurde auch nicht durch die Gewährung eines Gutscheins gewahrt, denn darin ist keine „Erstattung“ im Sinne des § 651h Abs. 5 BGB zu sehen ist. Der Wortlaut des § 651h Abs. 5 BGB spricht ausdrücklich von einer Rückerstattung des Reisepreises. Dies meint einen vollständigen Transfer des entrichteten Betrages. Als Reisegutschein stünde dieser jedenfalls nicht wieder zur völlig freien Verfügung, sondern würde eine Bindung an einen bestimmten Vertragspartner bedeuten. Dies ließe sich mit dem Schutzzweck der Norm nicht in Einklang bringen und eine diesbezügliche Verpflichtung wäre als Umgehungsversuch nach § 651y Satz 2 BGB zu werten. Da die genannten Vorschriften auf europäischen Vorgaben (namentlich Art. 12 Abs. 4 RL (EU) 2015/2302; Art. 23 RL (EU) 2015/2302) beruhen, bleibt es auch den einzelnen Mitgliedstaaten verwehrt, eine davon abweichende nationale Regelung zu treffen. Da eine sog. „verpflichtende Gutscheinlösung“ auf europäischer Ebene nicht erzielt wurde, hat sich der Bundestag am 02.07.2020 im Rahmen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht für eine lediglich „freiwillige Gutschein-Lösung“ entschieden. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das bereits in Kraft getretene Moratorium nach Art. 240 § 1 EGBEB nicht im pauschalreiserechtlichen Kontext gilt (a.A. Bergmann, in: Kroiß, Rechtsprobleme durch COVID-19, 2020, § 8 Rdnr. 26 ff.) und der Reiseveranstalter deshalb erst Recht nicht zu Lasten des Reisenden seine Rückzahlung aussetzen darf (auch nicht bis zur Entscheidung über die endgültige Form der Gutschein-Lösung). Gleichfalls kann ein Abwarten des Reiseveranstalters darauf, ob sein Vertragspartner tatsächlich Gutscheine annimmt oder nicht, nicht zu Lasten des Reisenden gehen. Der Veranstalter trägt letztlich das Risiko für inzwischen eingetretene Verzugsschäden, wenn die Gutscheine letztlich nicht angenommen werden und die Frist aus § 651h Abs. 5 BGB bereits abgelaufen ist; es sei denn, das Handeln des Rei- senden widerspräche Treu und Glauben (§ 240 BGB). Letzteres ist hier jedoch nicht ersichtlich.

 

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Erfüllung der Rückzahlungspflicht setzt gemäß § 280 Abs. 1, 286 Abs. 4, § 276 BGB zudem ein Verschulden der Beklagten voraus, welches zunächst vermutet wird. Der Beklagten ist es vorliegend auch nicht gelungen, die Vermutung zu widerlegen. Sie führt hierzu im Wesentlichen an, dass sie aufgrund der Vielzahl an aufgetretenen Rückzahlungsforderungen in Liquiditätsschwierigkeiten geraten sei und auch die Rückzahlung habe organisatorisch nicht stemmen können. Jedoch kann dieses Argument nicht verfangen, denn bei einer Geldschuld hindert eine zeitweise Zahlungsunfähigkeit des Schuldners – unabhängig vom Verschulden – nicht den Eintritt des Verzuges (BGH, Urt. v. 25.03.2982 – VII ZR 60/81) – "Geld hat man zu haben". Als Annex der vorhandenen Rückzah- lungspflicht ist der Geldschuldner gleichzeitig auch (verschuldensunabhängig) dazu verpflichtet, die erforderlichen Organisationsformen aufzuweisen, um eine fristgerechte Zahlung in die Wege leiten zu können. Einem Reiseunternehmen in der Größe der Beklagten ist es zuzumuten, innerhalb von kürzester Zeit auf die sich anhäufenden Zahlungsansprüche zu reagieren und sich dementsprechend zu organisieren (etwa durch Einrichtung einer speziellen Abteilung).

 

 

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