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Kaufrecht: Altlastengefahr begründet Sachmangel

 BGH, Urteil vom 21.7. 2017 – V ZR 250/15

Sachverhalt: 

Beim Kauf des Grundstückes hat der Verkäufer verschwiegen, dass auf dem kaufgegenständlichen Grundstück von den 1960er bis den 1980er Jahren eine Asphaltmischanlage für den Straßenbau sowie ein Klärschlammrückhaltebecken betrieben worden waren. Eine Haftung Verkäufers wurde abgesehen von Vorsatz und Arglist – wie in der Praxis üblich – ausgeschlossen.

 

Der Käufer begehrt Schadenersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Objekt im mangelfreien und im mangelbehafteten Zustand zzgl. Zinsen (rund 880.000 €).

 

Entscheidung: 

1. Nach Auffassung des BGH besteht schon bei einem Altlastenverdacht aufgrund früherer Nutzung ein Sachmangel iSv § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Dies ergebe sich aus bereits dem Risiko der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme und der zu befürchtenden Wertminderung. Zwar sei nicht jedes industriell  genutzte Grundstück altlastenverdächtig. Ein Altlastenverdacht bestehe aber, wenn die frühere Nutzung erhebliche Schadstoffbelastungen befürchten lasse. Dieser Altlastenmangel brauche auch nicht konkret und naheliegend zu sein und es müssten auch keine weiteren Umstände hinzutreten.

 

" a) Besteht aufgrund der früheren Nutzung eines Grundstücks ein Altlastenverdacht, stellt bereits dies – was das Berufungsgericht offenbar nicht in voller Tragweite erkannt hat – regelmäßig einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar. Ein altlastenverdächtiges Grundstück weist unabhängig von dem mit dem Kauf verfolgten Zweck in aller Regel schon wegen des Risikos der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme und wegen der mit einem Altlastenverdacht verbundenen Wertminderung nicht die übliche Beschaffenheit i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 2016 - V ZR 35/15, ZfIR 2016, 783 Rn. 11).

 

Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1993 - III ZR 156/92, DNotZ 1994, 452, 453, insoweit in BGHZ 123, 363 nicht abgedruckt; Senat, Urteil vom 8. Juli 2016, V ZR 35/15, aaO, Rn. 8). Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet, wie etwa bei einer ehemaligen „wilden Müllkippe“ (Senat, Urteil vom 12. Juli 1991 - V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901) oder einer Tankstelle (Senat, Urteil vom 1. Oktober 1999 - V ZR 218/98, NJW 1999, 3777, 3778 unter II. 1.). Auch die Nutzung eines Grundstücks als Werksdeponie in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ohne anschließend durchgeführte Entsorgung stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar, weil bei einer Deponie immer die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden muss, dass auf ihr auch Abfälle gelagert wurden, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefahr darstellen (Senat, Urteil vom 3. März 1995 - V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550; BGH, Urteil vom 19. März 1992 - III ZR 16/90, BGHZ 117, 363, 369).

 

b) Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, muss der aus der früheren Nutzung des Grundstücks abgeleitete Altlastenverdacht nicht durch „konkrete und gewichtige Tatsachen“ untermauert werden, die das Vorhanden- sein von Altlasten nahelegen. Er muss auch nicht „konkret und naheliegend“ sein. Begründet die frühere Nutzung eines Grundstücks objektiv einen Altlastenverdacht, weist dieses vielmehr einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB auf, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen. Insbesondere bedarf es für die Annahme eines Sachmangels keiner zusätzlichen Tatsachen, die auf das Vorhandensein von Altlasten hindeuten."

 

2. Zudem handele objektiv arglistig iSv § 444 BGB, wer eine frühere altlastenverdächtige Nutzung des Grundstücks verschweige. Es bestehe eine Aufklärungspflicht über die vorherige Nutzung, die der Verkäufer bei Verschweigen verletzte. Bezogen auf den subjektiven Tatbestand der Arglist hält der Verkäufer nach Auffassung des BGH einen Sachmangel mindestens für möglich, wenn er die frühere Nutzung des Grundstücks kannte und es zumindest für möglich hielt, dass diese einen Altlastenverdacht begründet. Auch insoweit müssen keine konkreten – dem Verkäufer bekannten – Tatsachen hinzutreten, die den Altlastenverdacht erhärten.

 

"aa) Arglistig i.S.v. § 444 BGB handelt bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlos- sen hätte (vgl. nur Senat, Urteil vom 3. März 1995 - V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550).

 

bb) Verschweigt der Verkäufer eine ihm bekannte frühere Nutzung des Grundstücks, die einen Altlastenverdacht begründet, so handelt er objektiv arglistig i.S.v. § 444 BGB. Bezogen auf den subjektiven Tatbestand der Arglist hält der Verkäufer einen Sachmangel mindestens für möglich, wenn er die frühere Nutzung des Grundstücks kannte und es zumindest für möglich hielt, dass diese einen Altlastenverdacht begründet. Auch insoweit müssen keine konkreten – dem Verkäufer bekannten – Tatsachen hinzutreten, die den Altlastenverdacht erhärten. So kommt es etwa bei einer früheren Nutzung als Deponie oder wilde Müllkippe nicht darauf an, ob der Verkäufer Kenntnis von den konkret dort hin- gelangten Materialien und Schadstoffen hatte (vgl. Senat, Urteil vom 3.März1995 - V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550; BGH, Urteil vom 19.März1992 - III ZR 16/90, BGHZ 117, 363, 369; Senat, Urteil vom 12. Juli 1991 - V ZR 121/90, NJW 1991, 2900, 2901). Dem Käufer soll durch die Offenbarung der früheren Nutzung gerade die Möglichkeit zur Untersuchung des Baugrundes und zur Abschätzung etwaiger Mehrkosten im Falle der Übernahme des mangelhaften Grundstücks gegeben werden. Dieser Zielrichtung der Aufklärungspflicht liefe es zuwider, wenn den Verkäufer eine Offenbarungspflicht erst dann träfe, wenn er konkrete, über das Wissen um die frühere Nutzung hinausgehende Anhaltspunkte dafür hat, dass das Grundstück tatsächlich kontaminiert ist.

 

Merke:

1. Bereits der Verdacht einer Altlast kann einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellen.

 

2. Wer eine frühere Nutzung, die ein Altlastenverdacht begründet, verschweigt, handelt arglistig im iSv § 444 BGB.